Ermächtigen statt delegieren!
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Dr.-Ing. Jörg Priese
Abbildung 1: Wirkung der Delegation
In Deutschland gilt laut Grundgesetz das Subsidiaritätsprinzip für die Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung zwischen Europäischer Union, Bund, Länder und Gemeinden. Das Prinzip besagt, wann immer es möglich ist eine staatliche Aufgabe auf der untersten Ebene auszuführen, hat dies zu geschehen. Sozialleistungen werden nicht von einer Bundesbehörde ausgezahlt, sondern direkt von den Gemeinden. Über den Bau eines Schwimmbades entscheidet der Gemeinderat und nicht der Bundestag.
Vereinfacht gilt der Grundsatz: Ein Problem sollte dort gelöst werden, wo es auftritt. Dies ist wichtig, da dort viel mehr Wissen zum Problem vorhanden ist und damit auch häufig eine viel bessere und gerechtere Lösung erzielt wird. Die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit wird nach unten gestärkt und übergeordnete Stellen, die viel weniger Kenntnisse zu der spezifischen Problemstellung haben, werden entlastet. Alle Bürger haben so einen viel direkteren Einfluss auf staatliche Entscheidungen. Das Subsidiaritätsprinzip hat sich bewährt, schützt die Bürger vor staatlicher Willkür und stärkt die Mitbestimmung jedes Einzelnen.
Subsidiaritätsprinzip mittels Delegation
In vielen Unternehmen ist in den letzten Jahren die Erkenntnis gewachsen, dass in der heutigen komplexen Umwelt eine Führungskraft nicht mehr in der Lage ist, die Vielzahl von auftretenden Problemen alleine zu lösen. Sie hat weder die Zeit noch das Wissen. Die Einführung des Subsidiaritätsprinzips mittels Delegation scheint eine Lösung zu sein.
Delegieren ist die Übertragung von Zuständigkeiten und Handlungskompetenzen auf untergeordnete Stellen und Abteilungen. Ziel ist die Entlastung der Führungskräfte. Daneben soll die Motivation der Mitarbeiter gestärkt werden, da diese jetzt mehr eingebunden sind und mehr Einfluss auf ihre Arbeitsumgebung bekommen.
Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zum staatlichen Subsidiaritätsprinzip. Mittels Subsidiaritätsprinzip ist die unterste Ebene verpflichtend zuständig. Es besteht eine “Delegationspflicht”. Die unteren Ebenen müssen die Verantwortung übernehmen. Niemand anderes ist verantwortlich.
Delegieren im Unternehmen ist eine häufig zeitlich befristete Maßnahme und die Entscheidung zur Delegation liegt ausschließlich in der Hand der höheren Hierarchiestufe. Es wird damit zum Belobigungs- oder Bestrafungsinstrument und die gewünschte motivatorische Wirkung, wie auch die Übernahme der Verantwortung wird nicht nachhaltig erreicht. Die Ursachen dafür liegen in der Managementkultur des Unternehmens.
Ursache 1: Wir da oben können es besser!
Die Mitarbeiter wurden über viele Jahre durch die Führungskräfte “erzogen”, alles nach “oben abzusichern” und nur keine eigenen Entscheidungen zu treffen. Tief im Inneren glaubt die Führung, untere Ebenen wollen und können nicht mehr leisten. Leider ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Mannschaft dies dann auch glaubt und so handelt. Menschen ziehen sich zurück, wenn sie registrieren, dass jemand anderes für sie entscheidet. Die Mitarbeiter stellen das Denken ein. Einfach zu delegieren, ändert diesen Zustand nicht und wird zu Überforderung und Ängsten führen.
Ursache 2: Angst vor Machtverlust!
Führungskräfte haben über Jahre gelernt, dass sie einen guten Job machen, wenn sie ihre Abteilung perfekt unter Kontrolle haben. Sie werden direkt für die Erfolge und Misserfolge der Abteilung verantwortlich gemacht. Es ist also zwingend notwendig, dass sie die Aufsicht behalten und überall mitbestimmen. Ihre Position im Unternehmen, aber auch ihr Selbstbild, hängen davon ab. Diese Macht abzugeben, zu delegieren, wirkt als eine Bedrohung. Eventuell braucht man sie zukünftig nicht mehr und immer der Feuerwehrmann zu sein, kann sehr befriedigend sein!
Ursache 3: Veränderung ist gut, nur verändert werden ist schlecht!
Der Delegierende gibt Arbeit ab und entscheidet selbst wann und an wen. Er trifft die Entscheidung. Der Delegationsempfänger muss mit dieser Entscheidung gezwungenermaßen leben und reagiert mit Widerständen.
Die Folgen: Bessere und schnellere Entscheidungen werden nicht erreicht.
Subsidiaritätsprinzip mittels Ermächtigung der Mitarbeiter
Im Gegensatz zur Delegation bedarf das Prinzip der Ermächtigung ein völlig neues Rollenverständnis der Führungskraft. Die Führungskraft versteht sich als Dienstleister und Coach des Aufgabenempfängers. Toyota nennt dies “Managing without Power”, also Führen ohne hierarchische Macht. Der Aufgabenempfänger übernimmt alle Rechte und Pflichten. Er wird für diese Fragestellungen zur eigentlichen Führungskraft. Dies ermöglicht den Mitarbeitern die Verantwortung zu übernehmen, und das Subsidiaritätsprinzip konsequent anzuwenden.
Um dies zu erreichen, ist es notwendig, Führungskräfte anders zu bewerten und zu belohnen. Nicht die Führungskraft mit der besten Kontrolle über alle Mitarbeiter und Prozesse ist das Vorbild, sondern die Führungskraft, die in ihrer Abteilung operativ nicht gebraucht wird. In vielen Unternehmen bedeutet dies eine Revolution, und Revolutionen beginnen oft mit einer Explosion, die jeder spürt, beispielsweise durch eine Reorganisation mir konsequenten Hierarchieabbau.
Abbildung 2 zeigt die Unterschiede zwischen Delegation und Ermächtigung aus der Sicht der Führungskräfte.
Abbildung 2: Unterschiede zwischen Delegation und Ermächtigung
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